Arbeitsplatz

Stalking

Überblick

Nachstellung zielt meist auf eine einzige Person, betrifft aber ihr gesamtes Umfeld mit. Der gesetzliche Normalfall einer Nachstellung ist, dass sie von jemandem ausgeht, der (objektiv) völlig anlasslos damit loslegt. Anlasslos – der also weder zur Familie gehört, noch zur Nachbarschaft, und schon gar kein Arbeitskollege. Der Arbeitsplatz ist in Gefahr, wenn es nicht gelingt, Nachstellung rechtzeitig und effektiv zu unterbinden.

Die allgemeinen Abwehrmaßnahmen – Unterlassungsanordnung, Strafverfolgung – verpflichten den Arbeitgeber nicht, den oder die bösartigen Kollegen möglichst weit weg zu versetzen oder zu kündigen. Sie sind hier also nicht effektiv einzusetzen: Wer direkt nebenan wohnt oder im selben Büro arbeitet, kann sich darauf berufen, dass die verlangte Unterlassung seine Existenzgrundlage beeinträchtigt. Näherungs- oder Kontaktverbote, die sonst helfen würden, sind hier weitgehend untauglich.

Einstieg / Eskalationsleiter

Unterlassungsansprüche

Cyber-Mobbing

Arbeitsplatz

Schule / Kinder / Jugendliche


Fürsorgepflicht

Konkret ist der Arbeitgeber trotzdem verpflichtet sicher zu stellen, dass Sie ohne Gefahr für Seele, Nerven und Gesundheit Ihren Job machen können. Es handelt sich um eine Nebenpflicht aus dem Anstellungsvertrag, konkretisiert z.B. in § 12 AGG. Nebenpflichten sind zivilrechtlich einklagbar – Pflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB, Anspruchsgrundlagen über § 280 Abs. 1 BGB finden sich insbesondere in §§ 281 ff. BGB, einstweiliger Rechtsschutz wird über die allgemeinen Vorschriften gewährt, §§ 916, 935 ZPO (vgl. bereits → Unterlassungsansprüche). Sachlich zuständig ist hier aber stets das örtliche Arbeitsgericht, § 2 Abs. 1 ArbGG.


Die Anforderungen der Rechtsprechung an Unterlassungsbegehren oder Verpflichtungsanordnungen in Richtung des Arbeitgebers sind hoch. Von Extremfällen abgesehen müssen Sie nachweisen können, dass und wie der Angreifer Ihnen nachstellt. Dazu gehört auch der Nachweis, dass es sich wirklich um einen Angriff handelt und nicht bloß um fehlende Kinderstube, schlechte Umgangsformen oder unsachliche Übertreibung einer fachlich gerechtfertigten Kritik.

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Fallgruppe 1: „Mobbing“
Nachstellung durch Kollegen

Findet die Nachstellung nicht (nur) auf dem Heimweg oder auf dem Privattelefon statt, brauchen Sie die Mitwirkung des Vorgesetzten. Hier wirkt sich aus, dass der Unterschied zwischen „Gut“ und „Böse“ meist erst beim Empfänger entsteht (s.o.: Einstieg). Außer bei folgenden, leider häufigen Handlungen / Verletzungen:

    Körperverletzung, §§ 223 ff. StGB
    (und Schlimmeres, z.B. versuchter Totschlag)

    Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, §§ 174 ff. StGB
    (ggü. Minderjährigen auch verbal / durch Schriften möglich)

    Aussagedelikte und tätl. Beleidigung, §§ 185 ff. StGB
    (z.B. absichtliches Anfassen von Geschlechtsorganen, Anspucken)

    Freiheitsberaubung, § 239 StGB

    Sachbeschädigung / Datenveränderung etc., §§ 303 ff. StGB

Abseits davon ist der Begründungsaufwand hoch, um ein Gericht ggf. sogar ohne vorherige Anhörung des Gegners zu überzeugen, eine Schutzanordnung zu erlassen.

Man ist gut beraten, in einem Antrag auf eine (allgemeine) Schutzanordnung (→ Gewaltschutz) Bereiche auszuklammern, wo der Gegenseite ganz abstrakt Eingriffsrechte zustehen – der Nachbar muss noch in seine Wohnung kommen, der Arbeitskollege zur Teeküche oder auf Toilette. Erlässt das Gericht auch eine dermaßen reduzierte Anordnung nicht ohne Anhörung, lässt sich der Antrag noch in der Verhandlung angemessen erweitern. Spätestens hier aber sollten Sie die Auseinandersetzung nicht ohne fachkundige Hilfe führen oder auch nur beginnen.


Fallgruppe 2: „Bossing“
Nachstellung durch Vorgesetzte

Geht die Nachstellung vom eigenen, unmittelbaren Vorgesetzten aus, hilft effektiv oft nur die Flucht aus dem Arbeitsverhältnis. Zwar können Sie von dessen Vorgesetzten genauso Unterstützung verlangen, wie wenn es sich um Nachstellungen aus dem Kollegenkreis handelte, doch wird über kurz oder lang eher ihr eigenes Arbeitsverhältnis beendet als das ihres unmittelbaren Chefs – von glücklichen Ausnahmefällen einmal abgesehen. Unglücklich ist es dagegen, wenn Ihr unmittelbarer Vorgesetzte der oberste Chef ist – dagegen gibt es praktisch betrachtet keinen vorbeugenden gerichtlichen Rechtsschutz.

Ein Vorgesetzter riskiert viel. So richtet sich der allgemeine Entschädigungsanspruch aus unerlaubter Handlung – §§ 823 Abs. 1, 2 i.Vm. Schutzgesetzen – ohnehin gegen den Arbeitgeber und damit auch auf Vorgesetzte im Betrieb. Dem/der Geschädigten kann Schadenersatz sogar in Höhe des entgehenden Lohnes oder der Differenz zum Entgelt im Folgejob zustehen. Geht einem Arbeitsplatzverlust eine Gruppen-Diskriminierung voraus, kann § 15 AGG greifen (Achtung: 2-Monats-Frist). Bei Straftaten stellt das Gesetz schon „einfache“ sexuelle Handlungen gegen Jugendliche unter Strafe, § 174 StGB. Ein Über-/Unterordnungsverhältnis erhöht für den Arbeitgeber ganz generell das Risiko, überhaupt wegen einer ggf. sexuellen Nötigung belangt zu werden – „verbale“ Gewalt wird innerhalb eines Arbeitsverhältnisses leichter als Nötigungsmittel gewertet als außerhalb.


Fallgruppe 3:
Auswirkungen von Stalking

Nachstellungen wirken sich primär aus durch Krankheit, schlechte Leistungen, Fehlzeiten des gestalkten Arbeitnehmers – z.B. für die Erstattung von Anzeigen, Gerichtsverhandlungen, oder weil mehrmals im Monat der PKW / das Fahrrad beschädigt wird. Manche Handlungen des Stalkers betreffen den Arbeitsplatz auch direkt und unmittelbar, indem der Stalker ein oder mehrere Dienstfahrzeuge beschädigt, die betriebliche EDV stört oder schlicht die Telefonzentrale überlastet.

Leider neigen manche Arbeitgeber zum Weg des geringsten Widerstands und setzen den betroffenen Arbeitnehmer frei, wie „Kündigung“ in der Managersprache heißt. Wird im Kündigungsschutzverfahren festgestellt, dass die Kündigung nicht gerechtfertigt war, stellt sich der vermeintlich leichtere Weg als der am Ende aufwändigere und teurere heraus.

Damit der Arbeitnehmer Angriffe von außen effektiv abwehren und bekämpfen kann, ist er auf Unterstützung des Arbeitgebers angewiesen:

    bei Beschädigung von Firmen-Eigentum
    (Achtung: Strafantrag des Berechtigten nötig, Frist: 3 Monate)

    für den Nachweis von Auswirkungen des Stalking
    (Dokumentation von Fehlzeiten / betrieblichen Kosten)

    für den Nachweis von Stalking-Handlungen
    (Veränderung von Daten, Video-Überwachung, Zeugen)

    durch Freistellung für Anzeigenerstattung und Termine

    durch Rechtsrat / -hilfe durch einen Syndikus- oder externen Anwalt.

Bei größeren Firmen kann sich anbieten, Verfahren zur Unterstützung der eigenen Beschäftigten im Rahmen des Compliance-Systems allgemein zu definieren. Der Betriebsrat an der Aufstellung solcher Regelungen zu beteiligen nach § 87 Abs. 1 Nr. 8, 88 BetrVG – erst recht soweit Auskunft über betriebliche DV-Vorgänge grundsätzlich erteilt werden soll; hier sind auch der betriebliche DS-Beauftragte zu beteiligen und die Grenzen von § 28 Abs. 2 BDSG zu wahren.







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